Edelstahl Schweissen für anspruchsvolle Industrieanwendungen

Beim Edelstahl Schweissen steht nicht nur die optisch saubere Naht im Fokus. Für Lebensmittel-, Pharma-, Chemie-, Energie- und Medizintechnik-Anwendungen in der Schweiz sind Korrosionsbeständigkeit, Reinigbarkeit und Dokumentation ebenso entscheidend wie Produktivität und Reproduzierbarkeit. Nichtrostende Stähle enthalten mindestens etwa 10,5 % Chrom; dieses bildet eine dünne, selbstheilende Passivschicht, welche den korrosionsbeständigen Charakter von Edelstahl ermöglicht.

Werkstoffkunde Edelstahl: austenitisch, ferritisch, martensitisch, Duplex

Unter dem Sammelbegriff „Edelstahl“ werden verschiedene Werkstofffamilien zusammengefasst, die sich im Gefüge, in der Legierung und im Verhalten beim Schweissen klar unterscheiden.

  • Austenitische Edelstähle (z. B. 1.4301, 1.4404) sind in der Lebensmittel-, Getränke- und Pharmaindustrie Standard. Sie sind gut schweissbar, zäh und bieten eine sehr gute Korrosionsbeständigkeit, insbesondere bei geeigneter Oberflächenbehandlung.
  • Ferritische Edelstähle besitzen ein ferritisches Gefüge, sind magnetisch und werden häufig im Apparate- und Abgasanlagenbau eingesetzt. Sie sind schweisstechnisch anspruchsvoller bezüglich Sprödbruch- und Korrosionsverhalten.
  • Martensitische Edelstähle kombinieren hohe Festigkeit mit begrenzter Korrosionsbeständigkeit. Sie finden sich unter anderem in der Luft- und Raumfahrt sowie in Präzisionsbauteilen, wo eine kontrollierte Wärmebehandlung nach dem Schweissen oft obligatorisch ist.
  • Duplex- und Superduplex-Stähle vereinen ferritische und austenitische Gefügebestandteile. Sie bieten hervorragende Beständigkeit gegen Spannungsrisskorrosion und hohe Festigkeit, werden aber nur bei streng kontrollierter Wärmeeinbringung und Zwischenlagentemperatur sicher geschweisst.

Die Legierungselemente beeinflussen das Verhalten beim Edelstahl Schweissen wesentlich:

  • Chrom (Cr) bildet die Passivschicht und ist Grundvoraussetzung für Korrosionsbeständigkeit.
  • Nickel (Ni) stabilisiert das Austenitgefüge und verbessert Zähigkeit und Schweissbarkeit.
  • Molybdän (Mo) erhöht die Beständigkeit gegen Loch- und Spaltkorrosion, insbesondere in chloridhaltigen Medien.
  • Stickstoff (N) steigert die Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit und spielt besonders bei Duplex-Stählen eine zentrale Rolle.

Mit steigender Einsatztemperatur, beispielsweise in Abgasanlagen, Wärmetauschern oder Reaktoren, müssen Kriechfestigkeit, Gefügestabilität und die Gefahr von Sensibilisierung berücksichtigt werden. Hier entscheidet die richtige Kombination aus Werkstoff, Zusatzwerkstoff und Schweisstechnik über die Dauerhaltbarkeit der Anlage.

Schweissverfahren für Edelstahl: WIG/TIG, MIG/MAG, Laser, Orbital

WIG/TIG-Schweissen ist in der Schweiz das Standardverfahren für hochwertige Nähte an Edelstahlkomponenten in der Lebensmittel-, Getränke- und Pharmaindustrie. Es bietet eine sehr gute Kontrolle der Wärmeeinbringung, einen spritzerfreien, ruhigen Lichtbogen und exzellente Nahtoberflächen, die sich gut reinigen und polieren lassen.

MAG/MIG-Schweissen wird überall dort eingesetzt, wo höhere Abschmelzleistungen und Produktivität gefordert sind, beispielsweise im Apparate-, Anlagen- und Metallbau oder bei tragenden Strukturen im Architektur- und Fassadenbereich. In Kombination mit geeigneten Schutzgasen lässt sich ein guter Kompromiss aus Produktivität, Spritzerarmut und Nahtqualität erreichen.

Laser- und Laserhybridverfahren kommen zum Einsatz, wenn schmale Nähte, geringe Wärmeeinflusszonen und hohe Schweissgeschwindigkeiten gefordert sind – etwa in der Serienfertigung von Komponenten für die Energie- und Umwelttechnik oder bei Edelstahlkomponenten in der Medizintechnik. Die konzentrierte Energieeinbringung minimiert Verzug und reduziert den Nachbearbeitungsaufwand.

Orbital-Schweissen ist ein Schlüsselverfahren für hygienische Rohrleitungssysteme in der Lebensmittel-, Getränke-, Pharma- und Biotech-Industrie. Voll- oder teilmechanisierte Orbitalsysteme ermöglichen reproduzierbare, dokumentierte Schweissungen mit definierten Parametern, lückenloser Datenspeicherung und gleichbleibender Nahtgeometrie bei der Serienfertigung.

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Nahtvorbereitung und Zusatzwerkstoffe

Eine hochwertige Schweissnaht beginnt bei der konsequenten Nahtvorbereitung und Oberflächenreinigung. Typische Schritte sind das möglichst grat- und anlauffreie Trennen, das Entfernen von Öl, Fett, Anlauffarben und Verunreinigungen sowie metallisch blanke, frei von Eisenpartikeln gehaltene Fügeflächen.

Für das Edelstahl Schweissen kommen abgestimmte Zusatzwerkstoffe zum Einsatz, deren Güte und Legierung exakt zum Grundwerkstoff beziehungsweise zum Medium passen müssen. Für austenitische Stähle sind überlegierte Zusätze üblich, um das Korrosionsverhalten in der Wärmeeinflusszone zu stabilisieren. Duplex- und Superduplex-Stähle erfordern Zusatzwerkstoffe mit spezifischem Ferrit-Austenit-Verhältnis, um das Gefüge im Naht- und Wärmeeinflussbereich im zulässigen Bereich zu halten.

Der Durchmesser des Zusatzwerkstoffs wird an Blechdicke, Wurzelöffnungen und gewähltes Verfahren angepasst, um eine stabile Abschmelzleistung und kontrollierte Einbrandtiefe zu erzielen. Schutzgase werden gemäss Verfahren und Werkstoffsystem ausgewählt; Schweizer Gasanbieter stellen hierfür spezifische Schutzgasfamilien für das Edelstahl Schweissen zur Verfügung.

Wärmeeinbringung, Verzug und Zwischenlagentemperatur

Die kontrollierte Wärmeeinbringung ist ein zentrales Kriterium beim Edelstahl Schweissen. Zu hohe Energieeinbringung begünstigt Sensibilisierung, Grobkornbildung, Verzug und Eigenspannungen, zu niedrige Energie kann zu Bindefehlern und mangelndem Einbrand führen.

Insbesondere bei Duplex- und Superduplex-Stählen ist eine begrenzte Zwischenlagentemperatur entscheidend, um unerwünschte Phasenbildung und Gefügeentmischung zu vermeiden. Ergänzend werden symmetrische Schweissfolgen, Fixierungen und Spannvorrichtungen, energieeffiziente Verfahren sowie kontrollierte Abkühlphasen genutzt, um Verzug und Spannungen zu minimieren.

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Korrosionsschutz und Nachbehandlung: Beizen, Passivieren, Elektropolieren

Nach dem Edelstahl Schweissen ist die metallisch reine Oberfläche der Schlüssel für eine langfristig beständige, hygienische Anlage. Die Wärmeeinwirkung erzeugt Anlauffarben und Oxide, die den Schutz der Passivschicht lokal aufheben. Entsprechend wichtig sind abgestimmte Nachbehandlungsprozesse.

  • Beizen entfernt Anlauffarben, Zunder und Oxide im Schweissnahtbereich und schafft die Grundlage für eine erneute, gleichmässige Passivschicht.
  • Passivieren unterstützt die Bildung der Chromoxid-Passivschicht durch geeignete chemische Behandlung und wird in der Schweiz breit als Dienstleistung für Apparate, Rohrleitungen und Komponenten angeboten.
  • Elektropolieren glättet die Oberfläche im Mikrometerbereich, reduziert die Rauheit, erleichtert die Reinigung und verbessert das Hygienic-Design von Reinstmedienleitungen, Tanks und medizintechnischen Bauteilen.

Für hygienische Anwendungen in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, im Lebensmittelmaschinen- und Anlagenbau oder in der Pharma- und Biotech-Industrie werden Schweissnähte häufig geschliffen, poliert, beizpassiviert oder elektropoliert, um definierte Rauheitskennwerte zu erreichen und Reinigbarkeit bei CIP-/SIP-Prozessen sicherzustellen.

Branchenfokus in der Schweiz

Das Edelstahl Schweissen ist in zahlreichen Schweizer Branchen eine Schlüsselkompetenz:

  • Lebensmittel- und Getränkeindustrie: hygienische Rohrleitungsnetze, Tanks und Prozessanlagen mit WIG- und Orbitalschweissungen, dokumentierten Verfahren und qualifizierten Schweissern.
  • Pharma- und Biotech-Industrie: Reinstmedienleitungen, sterile Apparate und qualifizierte Orbitalschweissnähte mit vollständiger Rückverfolgbarkeit.
  • Chemie- und Prozessindustrie: korrosionsbeständige Duplex- und Sonderwerkstoffe für Reaktoren, Wärmetauscher und Prozessmodule.
  • Energie- und Umwelttechnik: Wärmetauscher, Abgas- und Wasseraufbereitungsanlagen mit hohen Anforderungen an Temperatur- und Korrosionsbeständigkeit.
  • Architektur und Metallbau: sichtbare Edelstahlkonstruktionen mit hoher optischer Qualität, von Fassadenelementen über Geländer bis zu Sonderkonstruktionen.
  • Medizintechnik: präzise, reproduzierbare Schweissnähte an Instrumenten, Gehäusen und Gerätekonstruktionen mit minimaler Wärmeeinflusszone.
  • Luft- und Raumfahrt: hochfeste und temperaturbeständige Edelstähle mit anspruchsvollen Prüf- und Dokumentationsanforderungen.

Schweizer Spezialbetriebe für Edelstahl- und Anlagenbau verbinden Werkstoffkompetenz, zertifizierte Schweisstechnik und moderne Oberflächenbehandlung, um langlebige, regelkonforme Lösungen für nationale und internationale Kunden bereitzustellen.