Prozess Automatisierung für die Prozessindustrie in der Schweiz

Prozess Automatisierung ist für Schweizer Produktionsstandorte in Chemie, Pharma, Lebensmittel, Energie und Wasserwirtschaft ein zentraler Hebel für Sicherheit, Qualität und Wirtschaftlichkeit. Moderne Leitsysteme, vernetzte Feldgeräte und durchgängige Engineering-Prozesse verbinden heute Anlagenbetrieb, Qualitätsmanagement und Regulatory-Compliance – oftmals über den gesamten Lebenszyklus von der Planung bis zur Migration bestehender Systeme.

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Rolle der Prozessleittechnik (PLT), Leitsysteme und Alarmmanagement

Die Prozessleittechnik (PLT) bildet das Rückgrat der Prozess Automatisierung. Ein Prozessleitsystem (DCS/SCADA) übernimmt die zentrale Prozessführung, stellt Bedien- und Beobachtungsfunktionen bereit, archiviert Betriebs- und Qualitätsdaten und integriert Sicherheitsfunktionen. In Schweizer Chemie- und Pharmaanlagen kommen zunehmend integrierte Leitsystemplattformen zum Einsatz, die kontinuierliche und Batch-Prozesse in einer gemeinsamen Umgebung abbilden.

Wesentliche Aspekte sind:

  • Prozessführung und Visualisierung mit klar strukturierten Prozessbildern, Faceplates und Trendkurven
  • Alarm- und Ereignismanagement mit priorisierten Meldungen, Alarmrationalisierung und Reporting
  • Redundante Systemarchitekturen für hohe Verfügbarkeit, insbesondere in Energieerzeugung und Wasser/Abwasser
  • Standardisierte Bedienkonzepte zur Reduktion von Fehlbedienungen und zur Unterstützung von GMP- und ISO-Anforderungen

Gerade in regulierten Umgebungen (GMP, FDA) wird eine lückenlose Nachvollziehbarkeit der Prozessführung erwartet, inklusive elektronischer Audit-Trails und definierter Freigabe-Workflows.

Mess- und Analysentechnik als Basis für Qualität und Sicherheit

Zuverlässige Mess- und Analysentechnik ist die Grundlage jeder Prozess Automatisierung. Typische Messgrössen sind Durchfluss, Druck, Temperatur und Füllstand, ergänzt durch Prozessanalytik wie pH, Leitfähigkeit oder Gasanalytik. In der Schweizer Chemie- und Pharmaindustrie kommen hochpräzise Sensoren mit hygienischen Prozessanschlüssen, CIP/SIP-Fähigkeit und digitaler Kommunikation zum Einsatz.

In Lebensmittel- und Getränkeanwendungen stehen zudem Produktsicherheit und Dokumentation im Vordergrund. Online-Analysatoren für Leitfähigkeit oder TOC helfen, Reinigungsprozesse zu optimieren und Ressourcen wie Wasser und Energie zu sparen. In der Wasser- und Abwasserwirtschaft gewährleisten kontinuierliche Messungen von Durchfluss, Pegel und relevanten Wasserparametern eine sichere Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte.

Steuerungs- und Regelungstechnik: Von klassischen Regelkreisen zu APC

Die Steuerungs- und Regelungstechnik sorgt dafür, dass Prozesse stabil, effizient und innerhalb der spezifizierten Toleranzen betrieben werden. Klassische PID-Regelkreise bilden nach wie vor den Standard; in der Schweizer Prozessindustrie werden diese zunehmend durch Kaskaden-, Verbund- und Modell-basierte Regelungen ergänzt.

Advanced Process Control (APC) und modellprädiktive Regelungen ermöglichen etwa in Brenn- und Schmelzprozessen oder bei Bioreaktoren:

  • Engere Einhaltung von Qualitätsgrössen
  • Reduktion von Energie- und Rohstoffverbrauch
  • Dämpfung von Störeinflüssen
  • Automatisierte Fahrweisen bei An- und Abfahrprozessen

Gerade bei energieintensiven Anlagen in der Metall-, Glas-, Papier- oder Energieerzeugungsindustrie lassen sich so signifikante Effizienzgewinne erzielen.

Feldinstrumentierung und Aktorik: Ventile, Antriebe, intelligente Feldgeräte

Feldinstrumentierung und Aktorik verbinden die Leittechnik mit der realen Anlage. Dazu gehören Stellventile, Antriebe, Stellglieder und intelligente Feldgeräte. In rauen Umgebungen – etwa Bergbau, Abfall- und Recyclingtechnik oder thermische Verwertungsanlagen – sind robuste Bauformen, hohe Schutzarten und korrosionsbeständige Materialien erforderlich.

Intelligente Feldgeräte bieten zusätzliche Diagnosen wie Ventilstellzeiten, Ventilsitzverschleiss oder Sensor-Drift und unterstützen vorausschauende Wartung. In hygienischen Anwendungen wie Lebensmittel, Getränke und Pharma stehen präzise Regelung, totraumarme Konstruktion und einfache Reinigbarkeit im Vordergrund.

Industrielle Kommunikation: Feldbus, Industrial Ethernet und Redundanz

Die industrielle Kommunikation vernetzt Feldgeräte, Remote-I/O, Steuerungen und Leitsysteme. In der Schweizer Prozessindustrie sind Feldbusse wie PROFIBUS PA und Foundation Fieldbus sowie Ethernet-basierte Protokolle wie PROFINET, EtherNet/IP und Modbus TCP verbreitet.

Wichtige Anforderungen sind:

  • Ex-geeignete Feldbussegmente für ATEX-Zonen in Chemie und Pharma
  • Redundante Kommunikationspfade in kritischen Infrastrukturen wie Energie und Wasser/Abwasser
  • Deterministische Kommunikation für Regelkreise mit engen Zykluszeiten
  • Netzwerkdiagnose und -monitoring, um Störungen frühzeitig zu erkennen und Stillstände zu vermeiden

Moderne Remote-I/O-Systeme und Feldbusverteiler erlauben modulare, erweiterbare Anlagenkonzepte und erleichtern Migrationen von älteren Systemen.

Sicherheits- und Schutzsysteme: SIS, SIL und funktionale Sicherheit

Sicherheits- und Schutzsysteme übernehmen die Aufgabe, Personen, Umwelt und Anlagen vor gefährlichen Zuständen zu schützen. In vielen Schweizer Betrieben kommen SIL-bewertete Sicherheitsfunktionen zum Einsatz, die im Rahmen von Risikoanalysen spezifiziert werden. Typische Funktionen sind Notabschaltungen, Druckentlastungen oder sichere Brennersteuerungen in Kraftwerken und thermischen Prozessen.

Wesentliche Punkte sind:

  • Trennung von Basic Process Control System und Safety Instrumented System
  • Klare Sicherheitsphilosophie und Nachweisführung gemäss relevanten Normen
  • Regelmässige Prüfungen und dokumentierte Funktionsnachweise
  • Integration in das übergeordnete Alarm-, Ereignis- und Asset-Management

Batch- und Rezepturmanagement gemäss ANSI/ISA-88

Batch- und Rezepturmanagement ist insbesondere für Pharma, Biotech sowie Lebensmittel- und Getränkeindustrie von zentraler Bedeutung. Die ANSI/ISA-88 bietet ein etabliertes Referenzmodell für die Strukturierung von Anlagenmodulen, Rezepten und Prozeduren.

Moderne Batch-Systeme:

  • bilden Rezepturen modular ab, beispielsweise als Master- und Site-Recipes
  • unterstützen GMP-konforme Freigabe- und Änderungsprozesse
  • ermöglichen Skalierungen und Produktvarianten ohne Anpassung der Basisautomatisierung
  • erleichtern elektronische Chargendokumentation und Review-by-Exception

Dies erhöht die Flexibilität bei Produktwechseln und beschleunigt die Validierung neuer Prozesse.

Prozessoptimierung, Monitoring und Energieeffizienz

Auf Basis von Echtzeitdaten, Historian-Systemen und KPI-Dashboards wird die laufende Prozessoptimierung unterstützt. Typische Kennzahlen sind Durchsatz, Ausbeute, Qualitätskennwerte, OEE und spezifischer Energieverbrauch.

Zustandsüberwachung von Pumpen, Kompressoren, Motoren oder Ventilen reduziert ungeplante Stillstände. In der Wasser- und Abwasserwirtschaft ermöglicht ein durchgängiges Monitoring die optimierte Fahrweise von Pumpwerken und Reinigungsstufen unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben.

Digitalisierungsaspekte und IIoT

Die Prozess Automatisierung ist ein zentraler Enabler für Industrie 4.0 und IIoT-Lösungen. Schweizer Hochschulen und Industrieunternehmen erproben bereits heute cloud-verbundene Anlagen, digitale Zwillinge und Advanced Analytics in Laboren und Pilotanlagen.

Typische Anwendungsfelder sind:

  • Predictive Maintenance auf Basis kombinierter Prozess- und Zustandsdaten
  • Digitale Zwillinge von Anlagen für Engineering, Training und Optimierung
  • Cloud-Anbindung zur übergeordneten Auswertung und Flottenbetrachtung mehrerer Standorte
  • Advanced Analytics und Machine Learning zur Mustererkennung in komplexen Prozessdaten

In Branchen wie Pharma, Biotech und Nahrungsmittel rückt dabei die Integration mit Qualitäts- und Labordaten wie LIMS und MES in den Vordergrund.

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Engineering und Lifecycle-Management

Ein nachhaltiges Konzept für Prozess Automatisierung betrachtet den vollständigen Lebenszyklus. Dazu gehören Basic- und Detail-Engineering mit klarer Trennung von prozesstechnischer Spezifikation und Automatisierungsausprägung, standardisierte Funktionsbausteine und Bibliotheken sowie eine durchgängige Dokumentation.

Weitere Schwerpunkte sind:

  • Migration älterer Systeme auf moderne Automatisierungsplattformen
  • Validierung und Qualifizierung in GMP-Umgebungen inklusive FAT, SAT, IQ, OQ und PQ
  • enge Zusammenarbeit von Mechanik-, Elektro- und Automatisierungstechnik

Schweizer Engineering-Dienstleister und Anlagenbauer kombinieren diese Kompetenzen, um integrale Lösungen für anspruchsvolle Prozessindustrien bereitzustellen.

Branchenfokus: Typische Anforderungen je Segment

Für die relevanten Zielsegmente lassen sich spezifische Schwerpunkte der Prozess Automatisierung ableiten.

  • Chemische Industrie: Hohe Anlagensicherheit, Explosionsschutz, flexible Fahrweisen zwischen kontinuierlichen und Batch-Prozessen, integriertes Alarm- und Sicherheitskonzept.
  • Pharma und Biotechnologie: GMP-Compliance, Validierung, elektronische Chargendokumentation, Batch-Steuerung gemäss S88, sterile Prozesse und lückenlose Nachvollziehbarkeit.
  • Lebensmittel- und Getränkeindustrie: Hygienedesign, CIP/SIP, Rezeptur- und Batchsteuerungen, Rückverfolgbarkeit, energieeffiziente Wärme- und Kältetechnik.
  • Energieerzeugung: Hohe Verfügbarkeit, robuste Leittechnik, Last- und Fahrplanoptimierung, sichere Brennersteuerung, Emissionsüberwachung.
  • Wasser- und Abwasserwirtschaft: Dezentrale Automatisierung, Fernwirktechnik, sichere Betriebsführung unter wechselnden Lastbedingungen, Einhaltung von Umweltauflagen.
  • Papier-, Zellstoff-, Metall-, Glas- und Grundstoffindustrie: Kontinuierliche Prozesse mit hohem Automatisierungsgrad, komplexe Regelungskaskaden, Energie- und Ressourceneffizienz.
  • Umwelt- und Recyclingtechnik sowie Bergbau und Rohstoffgewinnung: Robuste Komponenten, hohe Verfügbarkeit, durchgängiges Monitoring kritischer Prozessgrössen und Emissionen.

Unternehmen, die ihre Prozess Automatisierung entlang dieser Dimensionen systematisch weiterentwickeln, stärken ihre Wettbewerbsfähigkeit in einem anspruchsvollen, regulierten und kostenintensiven Umfeld in der Schweiz.