Industrielle Automatisierung

Einordnung und Bedeutung in der Schweiz

Industrielle Automatisierung ist eine zentrale Grundlage für wettbewerbsfähige Produktion und Prozessführung in der Schweiz. In Maschinen- und Anlagenbau, Prozessindustrie, Logistik oder Gebäudetechnik ermöglicht sie reproduzierbare Qualität, hohe Verfügbarkeit und effizienten Ressourceneinsatz. Moderne Automatisierungskonzepte verbinden dabei Sensorik und Aktorik, Steuerungs- und Regeltechnik, Kommunikationsnetze, Prozessleittechnik, Robotik, Antriebstechnik sowie Digitalisierung und IIoT zu durchgängigen Systemen vom Feldgerät bis in die Cloud.

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Sensorik und Aktorik

Sensorik und Aktorik bilden die physische Schnittstelle zwischen realer Anlage und digitaler Steuerungswelt. Sensoren erfassen physikalische Grössen wie Weg, Druck, Durchfluss, Temperatur, Kraft oder Vibration und stellen diese als elektrische oder digitale Signale bereit. Eine nachgelagerte Signalaufbereitung, beispielsweise durch Filterung, Linearisierung oder Diagnosefunktionen, sorgt dafür, dass Steuerungen robuste und aussagekräftige Messwerte erhalten.

Auf der Aktorik-Seite werden Maschinenachsen, Ventile, Greifer, Robotergelenke oder Antriebe angesteuert. Die Ansteuerung erfolgt zunehmend über intelligente Schnittstellen, die neben Sollwerten auch Diagnosedaten, Zustände und Parameter übertragen. In der Robotik ermöglicht präzise Aktorik hochdynamische Bewegungen, kollaborative Arbeitsbereiche und flexible Handhabung auch bei kleinen Losgrössen.

Typische Einsatzfelder in der Schweiz sind Werkzeugmaschinen, Verpackungsanlagen, Spritzgussmaschinen, Abfülllinien in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie, Reinraum-Handlingsysteme in der Elektronikfertigung sowie Mess- und Überwachungssysteme in Energie- und Umwelttechnik.

Steuerungs- und Regeltechnik

Die Steuerungs- und Regeltechnik bildet das logische Kernstück der industriellen Automatisierung. Speicherprogrammierbare Steuerungen werden für diskrete Fertigungsprozesse, Maschinensteuerungen und Sicherheitsfunktionen eingesetzt. In komplexeren Anwendungen kommen IPC-basierte Steuerungen zum Einsatz, die klassische SPS-Funktionen mit PC-Technik, Visualisierung und Datenauswertung kombinieren.

In der Antriebs- und Motion-Control-Technik werden Bewegungsabläufe mehrerer Achsen koordiniert, etwa bei Werkzeugmaschinen, Robotern, Handlingsportalen oder fahrerlosen Transportsystemen. PID-Regelungen sorgen dafür, dass Prozessgrössen wie Temperatur, Druck oder Füllstand stabil auf dem gewünschten Sollwert gehalten werden, auch bei Störungen oder Lastwechseln.

Für Schweizer Maschinen- und Anlagenbauer ist eine modulare Programmierstruktur wichtig, um Varianten einfach abbilden, Funktionen wiederverwenden und Anlagen über ihren Lebenszyklus effizient warten zu können. Standardisierte Funktionsbausteine und modellbasierte Entwicklungsansätze gewinnen an Bedeutung.

Kommunikations- und Netzwerktechnik

Leistungsfähige Kommunikations- und Netzwerktechnik ist Voraussetzung für durchgängige Automatisierungskonzepte. Im Feld kommen klassische Feldbusse wie Profibus oder CAN nach wie vor zum Einsatz, werden aber zunehmend von Industrial-Ethernet-Systemen abgelöst. Industrial Ethernet ermöglicht hohe Datenraten, flexible Topologien und teilweise harte Echtzeitfähigkeit für Motion-Control-Aufgaben.

Mit Protokollen wie OPC UA werden Anlagen, Leitsysteme und übergeordnete IT- und OT-Systeme interoperabel vernetzt. Dies erleichtert den Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Herstellern und Systemgenerationen. Für echtzeitkritische Anwendungen kommen Mechanismen wie Time-Sensitive Networking zum Einsatz, um deterministisches Verhalten im Ethernet-Umfeld zu gewährleisten.

In der Schweizer Industrie spielt die Integration der Automatisierungsnetze in bestehende Unternehmensnetzwerke eine wichtige Rolle. Dabei müssen Anforderungen an Verfügbarkeit, Cybersecurity, Fernzugriff und Segmentierung, beispielsweise die Trennung von Office-IT und Produktionsnetz, berücksichtigt werden.

Prozessleittechnik (PLT)

In der Prozessindustrie, etwa in Chemie, Pharma, Lebensmittel, Wasser- und Abwasserwirtschaft oder Energie, kommt Prozessleittechnik zum Einsatz. Leitsysteme integrieren Messstellen, Stellglieder, Regelkreise und Ablaufsteuerungen in einer zentralen oder verteilten Leittechnik. Über HMI- und SCADA-Systeme werden Anlagenzustände visualisiert, Alarme gemanagt und Betriebsparameter dokumentiert.

Prozessüberwachung und Störfallmanagement sind essenziell für Sicherheit, Produktqualität und die Einhaltung regulatorischer Anforderungen. In regulierten Branchen wie Pharma oder Medizintechnik werden Validierung, Audit-Trails, Rezepturverwaltung und elektronische Chargendokumentation zunehmend digital abgebildet. Für Betreiber in der Schweiz sind Langzeitverfügbarkeit, Herstellerunabhängigkeit der Feldgeräte und die Integration bestehender Anlagenteile wichtige Kriterien.

Robotik und kollaborative Systeme

Industrieroboter und kollaborative Robotersysteme erweitern die klassische Automatisierung um flexible Handhabungs- und Montageprozesse. Sie übernehmen Schweiss-, Klebe-, Bestückungs-, Palettier- oder Prüfaufgaben, entlasten Mitarbeitende von repetitiven Tätigkeiten und stabilisieren die Qualität.

Kollaborative Robotersysteme sind für die direkte Mensch-Roboter-Interaktion ausgelegt und verfügen über Sicherheitsfunktionen wie Kraft- und Momentenüberwachung, Geschwindigkeitsbegrenzungen und definierte Sicherheitszonen. Damit eignen sie sich sowohl für die flexible Fertigung in KMU als auch für hochautomatisierte Linien in der Automobil-, Elektronik- oder Medizintechnikproduktion.

In Schweizer Anwendungen kommen Roboter unter anderem in der Präzisionsmontage, in Reinraumprozessen, in der Lebensmittelverpackung, in Logistikzentren und in automatisierten Laboren zum Einsatz. Die Integration in bestehende Linien erfordert abgestimmte Konzepte für Sicherheit, Kommunikationsschnittstellen, Bildverarbeitung und Qualitätssicherung.

Antriebstechnik

Die Antriebstechnik bildet das Rückgrat vieler Automatisierungslösungen. Frequenzumrichter, Servoantriebe und drehzahlgeregelte Motoren erlauben energieeffizienten und prozessangepassten Betrieb von Pumpen, Lüftern, Kompressoren, Fördertechnik oder Prozessmaschinen. Über integrierte Regelungsfunktionen werden Drehmoment, Drehzahl oder Position präzise eingestellt.

Moderne Antriebssysteme stellen zusätzlich Diagnose- und Zustandsdaten bereit, die für Condition Monitoring und Energiemanagement genutzt werden können. In der Schweiz spielt die Steigerung der Energieeffizienz eine wichtige Rolle, insbesondere in energieintensiven Branchen wie Chemie, Metallverarbeitung, Wasser- und Abwasserwirtschaft, Gebäudetechnik oder Kälteanlagen.

Digitalisierung und Industrial IoT

Mit Digitalisierung und Industrial IoT werden Automatisierungssysteme über das Shopfloor-Niveau hinaus vernetzt. Edge-Computing-Plattformen verarbeiten Sensordaten nahe an der Maschine, reduzieren Datenvolumen und ermöglichen latenzkritische Anwendungen. Gleichzeitig können ausgewählte Daten in Cloud-Plattformen übertragen werden, um übergreifende Analysen, Dashboards und Optimierungsalgorithmen zu betreiben.

Typische Anwendungsfälle sind Predictive Maintenance, OEE-Analysen, Qualitätsmonitoring, Energie- und Ressourcenmanagement sowie Traceability-Lösungen. Für Schweizer Unternehmen ist wichtig, dass Datenhoheit, Datensicherheit und die Integration in bestehende Systeme wie ERP, MES, LIMS oder Gebäudeleitsysteme gewährleistet sind und regulatorische Anforderungen eingehalten werden.

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Sicherheit und Normen

Sicherheit und Normen sind zentrale Aspekte industrieller Automatisierung. Die funktionale Sicherheit wird anhand von Sicherheitsintegritätsleveln oder Performance Leveln nach einschlägigen Normen bewertet. Schutzkonzepte umfassen Not-Halt-Ketten, zweikanalige Sicherheitsfunktionen, sichere Antriebe, Schutzzäune, Lichtgitter sowie sichere Kommunikation.

Zusätzlich gewinnt OT-Cybersecurity an Bedeutung. Netzwerksegmentierung, Härtung von Steuerungen, kontrollierte Fernzugänge, Patch-Management-Konzepte und Monitoring von Anomalien sind wichtige Bausteine. In regulierten Branchen wie Pharma, Medizintechnik und kritischen Infrastrukturen müssen nationale und internationale Vorgaben berücksichtigt werden.

Qualitätssicherung und Monitoring

Durchgängige Qualitätssicherung und Monitoring begleiten alle Stufen der industriellen Automatisierung. Condition Monitoring erfasst Zustands- und Prozessdaten kontinuierlich, um Abweichungen frühzeitig zu erkennen. Inline-Messtechnik prüft Produkt- und Prozessparameter direkt in der Linie, ohne den Produktionsfluss zu unterbrechen.

Prozessdatenanalyse und Trendbewertung unterstützen die Identifikation von Optimierungspotenzialen, die Ursachenanalyse bei Störungen und den Aufbau von Wissensdatenbanken. In der Schweiz ist die Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette insbesondere in regulierten und qualitätskritischen Branchen von hoher Relevanz.

Branchen und Anwendungsfelder

Industrielle Automatisierung ist in zahlreichen Branchen in der Schweiz etabliert. Typische Segmente sind:

  • Maschinen- und Anlagenbau mit Werkzeugmaschinen, Verpackungsanlagen, Fördertechnik und Prozessanlagen
  • Automobil- und Zulieferindustrie mit Fertigungslinien, Robotik und Prüftechnik
  • Elektronik- und Halbleiterfertigung mit Reinraumprozessen und hochdynamischen Handling-Systemen
  • Lebensmittel- und Getränkeindustrie mit Abfüllung, Verpackung, Hygienic Design und Track & Trace
  • Pharma- und Medizintechnik mit validierten Prozessen, steriler Produktion und regulierten Umgebungen
  • Chemie und Petrochemie mit Prozessleittechnik, Sicherheitssystemen und kontinuierlicher Produktion
  • Energie- und Umwelttechnik mit Kraftwerksautomatisierung, Wasser- und Abwasseranlagen sowie erneuerbaren Energien
  • Logistik und Intralogistik mit automatisierten Lagern, FTS, AGV, AMR und Sortieranlagen
  • Metall- und Kunststoffverarbeitung mit Spritzgussautomation, Walzwerken und Giessereien
  • Gebäudetechnik und Infrastruktur mit Automatisierung von Versorgungs- und Gebäudebetriebssystemen

Für alle diese Segmente bietet industrielle Automatisierung die Basis, um Produktivität, Qualität, Sicherheit und Nachhaltigkeit systematisch zu verbessern und gleichzeitig Transparenz über Prozesse und Ressourcen zu gewinnen.