Anlagen- und Apparatebau in der Schweiz

Anlagen- und Apparatebau (oft auch als „Anlage und Apparatebau“ bezeichnet) ist in der Schweiz ein zentraler Baustein für sichere und effiziente Prozessindustrien – von Chemie und Pharma über Lebensmittel und Energie bis hin zu Umwelt- und Recyclingtechnik. Entscheidend sind normgerechte Auslegung, reproduzierbare Fertigungsprozesse und lückenlose Qualitätssicherung nach Schweizer und europäischen Vorgaben wie DGV/PED und EN-Normen.

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Konstruktion und Engineering

Die Konstruktion im Anlagen- und Apparatebau beginnt mit einer präzisen Auslegung von Druckbehältern, Rohrleitungen und Stahlkonstruktionen gemäss Betriebsdaten wie Druck, Temperatur, Medium und Lastannahmen. Für Druckbehälter und Rohrleitungen kommen typischerweise harmonisierte Normen wie EN 13445 und EN 13480 zur Anwendung, in der Schweiz eingebettet in die Druckgeräteverordnung (DGV, SR 930.114) als Umsetzung der europäischen Pressure Equipment Directive (PED).

Ein wesentlicher Schritt ist die Werkstoffwahl nach Betriebsbedingungen: korrosive Medien, Reinigungsregime (CIP/SIP), Temperaturwechsel, Druckwechsel und hygienische Anforderungen bestimmen, ob zum Beispiel austenitische Edelstähle, Duplexstähle oder Sonderwerkstoffe zum Einsatz kommen. In der Pharma- und Biotechnologie sind darüber hinaus Oberflächengüten, Schweißnahtausführung und Reinigbarkeit entscheidend, in der Lebensmittelindustrie zusätzlich EHEDG- und Hygienekriterien.

CAD-/CAE-gestützte Konstruktion ist Standard: 3D-CAD-Modelle bilden Behälter, Rohrleitungsrouten, Stahlbau und Anbauteile ab, während FEM- und Strömungssimulationen die Auslegung absichern. So lassen sich bereits in der Planungsphase Optimierungen hinsichtlich Wanddicken, Anschlussgeometrien, Rührwerkseinbauten oder Wärmetauscherflächen durchführen.

Herstellung und Fertigung

In der Fertigung stehen im schweizerischen Anlagen- und Apparatebau vor allem Schweißen, Umformen und Zerspanen im Vordergrund. Moderne Werkstätten verfügen über qualifizierte Schweißer, Schweißverfahren nach WPS/WPQR sowie zertifizierte Fertigungsprozesse, etwa nach Druckgeräterichtlinie und entsprechenden Prüf- und Abnahmevorschriften.

Typische Prozessschritte sind:

  • Zuschnitt und Umformen von Blechen und Profilen
  • Schweißen von Mantel- und Bodenblechen, Düsen, Flanschen und Verstärkungen
  • Zerspanende Nachbearbeitung von Flanschflächen, Dichtflächen und Anschlussstücken
  • Oberflächenbearbeitung durch Schleifen, Beizen, Passivieren oder Polieren

Oberflächenbehandlung und Korrosionsschutz richten sich nach Medium und Branche: In Chemie, Pharma und Lebensmittel kommen häufig gebeizte und passivierte Edelstahloberflächen oder elektrolytisch polierte Innenflächen zum Einsatz, während im Energie- und Kraftwerksbereich auch Beschichtungen und thermische Spritzschichten relevant sind. Für alle Druckgeräte sind die grundlegenden Sicherheitsanforderungen der DGV/PED und die anwendbaren Normen (z. B. EN 13445, EN 13480) einzuhalten.

Anlagentechnik und Prozessintegration

Der Anlagen- und Apparatebau ist eng mit Prozess- und Verfahrenstechnik verknüpft. Behälter, Wärmetauscher, Reaktoren, Kolonnen oder Filter werden immer im Kontext kompletter Prozessketten geplant – inklusive Medienversorgung, CIP-/SIP-Systemen, Wärmerückgewinnung und Prozesslogistik.

Die Integration von Mess-, Steuer- und Regeltechnik (MSR) ermöglicht einen sicheren und energieeffizienten Betrieb: Füllstand-, Druck-, Temperatur- und Durchflussmessung, Ventil- und Antriebssteuerung sowie übergeordnete Leitsysteme bilden die Grundlage für reproduzierbare Prozesse in chemischer und petrochemischer Industrie, Pharma und Biotechnologie, Lebensmittel- und Getränkeindustrie, Energie- und Kraftwerkstechnik, Umwelt- und Recyclinganlagen, Öl- und Gasindustrie, Wasser- und Abwassertechnik, Bergbau, Papier- und Zellstoffindustrie sowie im Spezialanlagenbau.

Energieeffizienz, Sicherheitstechnik und Explosionsschutz spielen dabei eine zentrale Rolle. Dazu gehören unter anderem Druckentlastungseinrichtungen, Sicherheitseinrichtungen gegen unzulässigen Überdruck, konstruktiver Explosionsschutz, geeignete Werkstoffe in explosionsgefährdeten Bereichen sowie die Umsetzung der relevanten Schweizer Vorschriften und Richtlinien.

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Prüfung und Qualitätssicherung

Die Qualitätssicherung im Anlagen- und Apparatebau umfasst Materialprüfungen, Schweißnahtprüfungen sowie Druck- und Dichtheitsprüfungen. Werkstoffzeugnisse, PMI-Tests und gegebenenfalls Korrosionsprüfungen stellen sicher, dass die spezifizierten Werkstoffe tatsächlich verbaut wurden.

Schweißnähte werden in Abhängigkeit von Druckgerätekategorie, Medium und Anforderung mit zerstörungsfreien Prüfverfahren kontrolliert, zum Beispiel visuellen Prüfungen, Eindringprüfungen, Röntgen- oder Ultraschallprüfungen. In der Schweiz sind anerkannte Stellen zentrale Akteure bei Zulassung, Inspektion und Marktüberwachung von Druckgeräten.

Druck- und Dichtheitsprüfungen werden gemäss Norm und DGV/PED durchgeführt. Die Ergebnisse werden lückenlos dokumentiert und fliessen zusammen mit Konstruktionsunterlagen, Berechnungsberichten, Prüfzertifikaten und Betriebsanleitungen in die technische Dokumentation ein. Diese bildet die Grundlage für Abnahmen, Konformitätsbewertungen und Zertifizierungen.

Montage und Inbetriebnahme

Die Montage vor Ort umfasst die Einbringung von Apparaten und Behältern, die Installation von Rohrleitungen, Stahlbauten und Plattformen sowie den Anschluss von Medien, Energieversorgung und MSR-Technik. Gerade bei engen Platzverhältnissen in bestehenden Anlagen sind eine saubere Baustellenkoordination und klare Schnittstellenplanung entscheidend.

Im Rahmen der Inbetriebnahme erfolgen Funktions- und Leistungstests, Simulation von Betriebszuständen, Sicherheitsfunktionen und Abschaltketten sowie erste Probebetriebe mit den vorgesehenen Medien oder Ersatzmedien. Alle Ergebnisse werden dokumentiert, bevor die Anlage formell an den Betreiber übergeben wird. Schulungen des Betriebspersonals, Übergabe der vollständigen Dokumentation und klare Wartungs- und Inspektionspläne sichern einen langfristig sicheren und wirtschaftlichen Betrieb.

Branchenfokus im Schweizer Markt

Der Anlagen- und Apparatebau in der Schweiz adressiert insbesondere folgende Branchen mit spezifischen Anforderungen:

  • Chemische und petrochemische Industrie: Reaktoren, Kolonnen, Wärmetauscher, Tanklager, komplexe Rohrleitungsanlagen.
  • Pharma- und Biotechnologie: Sterile Behälter, Fermenter, Prozessapparate, CIP-/SIP-Systeme, Reinraum- und Reinstmedientechnik.
  • Lebensmittel- und Getränkeindustrie: Hygienische Prozessbehälter, Pasteure, Wärmetauscher, CIP-Anlagen und produktberührte Komponenten.
  • Energie- und Kraftwerkstechnik: Druckbehälter, Dampferzeugerkomponenten, Systeme zur Wärmerückgewinnung, Brennstoffversorgung.
  • Umwelt- und Recyclingtechnik: Abgasreinigung, Filtrations- und Absorptionsanlagen, Abfall- und Wertstoffaufbereitungsanlagen.
  • Öl- und Gasindustrie: Separatoren, Druckbehälter, Pipeline-Ausrüstung, Onshore-/Offshore-Komponenten.
  • Wasser- und Abwassertechnik: Komponenten für Kläranlagen, Speicher- und Prozessbehälter, Pumpstationen.
  • Bergbau und Rohstoffverarbeitung: Aufbereitungsapparate, Fördertechnik, Anlagen zur Dickstoffe- und Schlammbehandlung.
  • Papier- und Zellstoffindustrie: Prozessbehälter, Aufschluss- und Reaktionsanlagen, Wärmetauscher, Rohrleitungsbau.
  • Spezialanlagen und Sondermaschinenbau: Pilotanlagen, Versuchsanlagen, kundenspezifische Spezialapparate mit hohem Engineering-Anteil.

Damit bietet der schweizerische Anlagen- und Apparatebau eine durchgängige Kette von der normgerechten Auslegung über die qualifizierte Fertigung bis hin zu Prüfung, Montage und Inbetriebnahme – stets im Rahmen der geltenden Vorschriften und mit Fokus auf Sicherheit, Verfügbarkeit und Effizienz.